Ratgeber zur Hyperakusis (Geräuschempfindlichkeit)

Hyperakusis beschreibt ein überraschend weit verbreitetes Krankheitsbild, welche dennoch verhältnismäßig unbekannt ist. Selbst die Forschung weist hier deutliche Defizite auf. Welche Krankheitsformen von Hyperakusis es gibt, wie es sich mit Diagnose, in der Wechselwirkung zu anderen Krankheiten und Therapien verhält, erörtert der nachfolgende Ratgeber zu Hyperakusis.

Grundsätzliches zur Hyperakusis

Die deutsche Bezeichnung für Hyperakusis lautet "Geräuschempfindlichkeit". Das verdeutlicht, dass mehr Menschen davon betroffen sein können als angenommen. Keinesfalls ist Hyperakusis mit Schwerhörigkeit zu verwechseln, auch wenn es oft als Begleiterkrankung mit der Schwerhörigkeit einhergeht (die Schwerhörigkeit wird als Hypakusis bezeichnet). So kann die Hyperakusis als alleinstehendes Krankheitsbild erscheinen, jedoch auch als Suberkrankung eines anderen Krankheitsbildes auftreten. Außerdem kann sich die Geräuschempfindlichkeit unterschiedlich stark äußern. So kann sich die Hyperakusis bis zur schmerzhaften Geräuschempfindlichkeit steigern, wird dann aber als Hyperakusis dolorosa bezeichnet.

Ursachen und Auslöser für Hyperakusis

Direkte Ursachen von Hyperakusis

Die direkten Ursachen von Hyperakusis lassen sich leicht beschreiben und auch vereinfacht erklären. Unser Lauthörempfinden (als Recruitment bezeichnet bei hoher Empfindlichkeit ab einem gewissen Schallpegel), also die Abgrenzung von leisen zu lauten Schallquellen, erfolgt im Innenohr. Daran beteiligt sind unter anderem die inneren und äußeren Haarzellen sowie der Nervus stapedius, eine Reflexbahn. Wird nun das natürliche Hörverhalten durch andere Einflüsse beeinträchtigt, kann es zu einer entsprechenden Geräuschempfindlichkeit kommen, das das Ohr nur noch partiell gut hören und filtern kann.

Hyperakusis als Begleit- oder Suberkrankung bei einer anderen Erkrankung

So kann die Hyperakusis mit banalen Krankheiten einhergehen. Dabei wird diese Geräuschempfindlichkeit oft auch selbstverständlich mit einer Erkrankung verbunden. Unter normalen Umständen klingt auch die Hyperakusis wieder ab. Das erfolgt durch eine Gewöhnung (Habitation) an die neuen Umstände. Ebenso kann die Hyperakusis aber auch anhaltend sein. Typische organische und physikalische Erkrankungen, mit denen die Geräuschempfindlichkeit einhergehen kann, wären:

  • bestehende Hörschäden
  • Alkoholkonsum
  • Wechselwirkung zu bestimmten Medikamenten
  • Migräne
  • Schädigung, Ausfall oder Verletzung des Gesichtsnervs (Gesichtslähmung)
  • Tinnitus
  • Schädel-Hirn-Trauma
  • Borelleninfektion
  • Bogengangsdehiszenz
  • Morbus Meniére
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Seelische Krankheiten als Auslöser für Geräuschempfindlichkeit

Aber auch seelische Erkrankungen leisten dem Ausbrechen einer Hyperakusis Vorschub. Zu den hierfür typischen Krankheitsbildern gehören unter anderem:

  • Depressionen
  • Panikerkrankungen wie Panikattacken
  • verschiedene Formen der seelischen Erschöpfung
  • posttraumatische Belastungsstörungen
  • Manien

Dabei müssen beide Krankheiten nicht gleichzeitig auftreten. Auch ein zeitlich versetztes Einsetzen der Hyperakusis zur eigentlich auslösenden Haupterkrankung kann gegeben sein. Insbesondere bei Tinnitus (Pfeifen im Ohr) ist das oft zu beobachten. Es muss also auch ein entsprechender Zusammenhang hergestellt werden.

Sonderfall Operation von Otosklerose

Ebenfalls häufig zu einer Hyperakusis kann es im Rahmen einer Operation wegen Otosklerose kommen. Dabei wird der Steigbügel im Ohr durch eine Prothese ersetzt. Damit zeigt der Steigbügelmuskel, der Musculus stapedius keine direkte Einflussnahme mehr auf den Steigbügel.

Auswirkungen der Hyperakusis

Isolation und eingeschränktes Sozialverhalten

Die Geräuschempfindlichkeit hat maßgebliche Auswirkungen insbesondere auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten. Unterbewusst versuchen Betroffene, entsprechende Geräusche möglichst zu meiden. Damit sind soziale Ausgrenzung und Isolation nahezu vorprogrammiert. Dazu kommt erschwerend, dass Betroffene mit starken Symptomen auch für andere Menschen unnatürlich reagieren, indem sie beispielsweise schreiben, wenn sie sprechen. Da aber nur bestimmte Tonlagen betroffen sein können, kann sich eine entsprechend auffällige Lautsprache einstellen, die Patienten noch mehr zurückziehen lässt.

Behandlung und Therapie von Hyperakusis

Da, wie nun erörtert, die Hyperakusis nicht als eigenständiges Krankheitsbild, sondern ebenso als Begleiterscheinung auftreten kann, müssen Behandlung und Therapie entsprechend angepasst werden. Wie bereits erwähnt, wird die Hyperakusis oftmals nur temporär wahrgenommen, denn das menschliche Gehirn ist bis ins hohe Alter lernfähig. Verändert sich nun die Hörsituation durch eine schwach ausgeprägte Geräuschempfindlichkeit, kann sich das Hirn entsprechend umstrukturieren und das Hördefizit durch "Hinzulernen" der neuen Situation ausgleichen. Das ist jedoch nicht immer möglich und es muss in Form einer Therapie geholfen werden.

Wieder lernen, normal zu hören, andernfalls kann die Hyperakusis noch heftiger werden

Dabei sind wieder zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden: zu lernen, trotz der Erkrankung wieder normal zu hören oder zu lernen, mit den unangenehmen Geräuschen umzugehen. Dabei gilt, dass die Erfolgschancen analog dem "Davonlaufen" vor extrem unangenehmen Schallquellen sinken. Der Patient muss sich also umfassend seiner Geräuschempfindlichkeit stellen. Im Prinzip erfolgt damit ein Lernen genau in die entgegengesetzte Richtung. Denn das Hirn wird nun trainiert, angenehme Geräusche zu fokussieren. Dann kommt es von einer Geräuschempfindlichkeit zu einer ausgeprägten Geräuschüberempfindlichkeit.

Therapie von Hyperakusis bei schwerhörigen Menschen beim und durch den Einsatz von Hörgeräten

Bei schwerhörigen Menschen wird diese oft von einer Hyperakusis, also einem Recruitment, begleitet. Für den hörgeschädigten Menschen bedeutet das im ersten Schritt, sich auf jeden Fall der Situation zu stellen und ein Hörgerät zu nutzen. Nur durch Lernen und Therapieren kann das jedoch nicht geschafft werden. Das Hörgerät muss dazu exakt auf die individuellen Anforderungen des Patienten eingestellt werden. Von Vorteil ist hier die enorme technische Entwicklung, welche Hörgeräte in den letzten 20 Jahren durchlaufen haben.

Eine Feinabstimmung des Hörgeräts auf die individuelle Geräuschempfindlichkeit ist möglich

So können unterschiedliche Schallquellen und Schallwellen in unterschiedliche Frequenzen unterteilt werden, die über entsprechende Kanäle im Hörgerät umgesetzt werden. Bei hörgeschädigten Menschen ohne auftretende Hyperakusis reichen in der Regel Hörgeräte mit vier Kanälen. Die digitale Steuerung (der Geräuschmanager) passt dann die verschiedenen Schallwellen in Lautstärke an und kann sie auch um Millisekunden verzögert im Hörer in Töne umwandeln. Stand 2015 sind Hörgeräte mit bis zu 48 Kanälen möglich. Für Hörgeschädigte ohne Begleiterscheinungen wie der Hyperakusis ist das nicht notwendig, da mit mehr als vier Kanälen keine nennenswerte Verbesserung eintreten kann. Im Fall der Hyperakusis kann jedoch eine extrem genaue Feinabstimmung vorgenommen werden.

Hyperakusis in der Praxis

Lange Zeit wurde dieses Krankheitsbild nur bedingt als Hyperakusis oder Geräuschempfindlichkeit als eigenständige Erkrankung betrachtet. Daraus resultieren auch heute noch zahlreiche unterschiedliche Benennungen, aus denen wieder völlig verschiedene Behandlungsansätze entstehen. Selbst die Forschung hat sich der Hyperakusis bislang nicht wirklich intensiv angenommen.

Daraus resultiert oft keine oder keine gezielte Behandlung der Hyperakusis

Damit besteht auch ein hohes Defizit bei Therapeuten, Ärzten und Akustikern, da es ein von der Ausbildung bis hin zu regelmäßigen Fachpublikationen vernachlässigtes Thema darstellt. Es gibt also nur wenige Ärzte und Therapeuten, die wirklich intensiv mit Hyperakusis vertraut sind. Andererseits machen aber auch Wechselwirkungen und Stress eine klare Diagnose mit anschließender Therapie nicht einfach, da die Geräuschempfindlichkeit zu oft als typische Begleiterscheinung wahrgenommen und dementsprechend vernachlässigt wird.

 

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